Die Bundesregierung hat den Entwurf des § 246e Baugesetzbuch (BauGB) zusammen mit den Bundesländern auf den Weg gebracht. Dieser Paragraf soll Regelungen aus dem BauGB weitreichend außer Kraft setzen. Er wird für Gebiete mit angespannten Wohnungsmarkt gemäß § 201a BauGB gelten. Wen wundert es – Aachen gehört dazu!
Eine Regelung wie der § 246e BauGB ist ursprünglich für die Erstellung von Flüchtlingsunterkünften eingeführt worden. Hier macht dies auch durchaus Sinn, da diese Bauten temporär sind und schnell erstellt werden mussten.
Jetzt aber für drei Jahre weitreichend die Regelungen des BauGB außer Kraft zu setzen, wird sicher nicht zu einem Bauturbo führen. Es werden Regelungen zur Erschließung der Grundstücke und Gebiete außer Kraft gesetzt, umweltrechtliche Prüfungen und Auflagen fallen weg, Partizipationsverfahren werden ausgesetzt und noch einiges mehr.
Baugenehmigung = Bodenspekulation
Es soll mit dem § 246e erlaubt werden, für jedwede Fläche in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt einen Bauantrag zu stellen, wenn sie nicht weiter als 100 m von einer bestehenden Siedlungsfläche entfernt ist. Auch in Gebieten mit bestehenden Bebauungsplänen kann in Abweichung zu den Vorgaben des Bebauungsplans ein Bauantrag gestellt werden. Die Verwaltungen müssen diesen Bauantrag innerhalb von 2 Monaten genehmigen. Sollte dies nicht erfolgen, ist der Antrag automatisch genehmigt. Dies bedeutet für Gebiete ohne Bebauungsplan, dass mit einem genehmigten Bauantrag der Wert des Grundstücks exponentiell steigt, ohne dass überhaupt eine Verpflichtung zum Bauen besteht. Noch weitergehend – es sind überhaupt keine Regelungen zu einer Quote für den sozialen Wohnungsbau vorgesehen, obwohl es ja das Ziel dieser Regelung sein soll, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Weiterführende Infos
Einen guten Einblick in die gesamte Thematik geben dieser Artikel in der Bauwelt, sowie der Beitrag im Onlinemagazin Marlowes und der Podcast von der Stadtrederei mit einem ehemaligen Baudirektor der Stadt München.
Es gibt mittlerweile auch ein breites Bündnis sowie einen Appell mehrerer Verbände gegen dieses Gesetzesvorhaben. Selbst bei der schriftlichen Anhörung (im Link nach unten scrollen) der Verbände – diese musste innerhalb von drei Tagen erfolgen – gibt es viele kritische Stimmen zum Bauturbo. Auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (Städtetag, Landkreistag und der deutsche Städte- und Gemeindebund) haben eine sehr kritische Stellungnahme abgegeben. Positiv auf dieses Gesetzesvorhaben reagieren alleinig – wen wundert es – die Verbände der privaten Immobilienwirtschaft (siehe ebenfalls Stellungnahmen)
Was bedeutet dies für aktuelle Projekte?
Nach jetziger Einschätzung zum § 246e BauGB könnten nun für viele Projekte bei Inkrafttreten des Paragrafen einfach Bauanträge gestellt werden. Auf die Stadt würde eine Welle von Bauantragsverfahren zukommen, die sie überhaupt nicht mehr bearbeiten kann. Diese Bauanträge wären dann, wie oben beschrieben, nach zwei Monaten automatisch genehmigt. Eine Abwägung, ob diese Genehmigungen den Zielen einer nachhaltigen Stadtentwicklung entsprechen, wäre somit überhaupt nicht mehr möglich.
Dieses übergeordnete und dem Allgemeinwohl dienende Ziel wäre somit umfänglich ausgehebelt. Es würden damit Projekte genehmigt, die langfristige Wunden in der Stadtstruktur verursachen. Ob mit einem verantwortungsvollen Umgang mit dem § 246e BauGB von Seiten der Eigentümer und den Investoren zu rechnen ist, darf stark bezweifelt werden.
Wie in dem Podcast mit dem ehemaligen Baudirektor der Stadt München nachzuhören ist, besteht die Möglichkeit einen Kriterienkatalog zu erstellen und im Stadtrat zu beschließen, um wieder Randbedingungen für Baugenehmigungen auf kommunaler Ebene festzulegen.
Es ist also an den im Rat der Stadt vertretenen Parteien für eine nachhaltige Stadtentwicklung einzutreten und die kommunale (Bau-)Verwaltung handlungsfähig zu halten.